Die ESL One Cologne sorgt jährlich für einen Turnier-Höhepunkt in Counter-Strike: Global Offensive – kurz CS:GO. Dieses Event, welches dieses Jahr online ausgetragen wird, gehört zu den beliebtesten Turnieren der Welt. Allerdings spiegelt sich die Freude darüber nur in den wenigsten Teilen Deutschlands wider. Profis, Experten und Funktionäre haben eine klare Meinung.
Der Taktik-Shooter Counter-Strike wurde in den frühen 2000ern mit den Attributen eines „Ballerspiels“ oder „Killerspiels“ belegt. Mittlerweile ändert sich das Verhältnis zu CS einhergehend mit der Entwicklung des Esports insgesamt. Das Interesse wird geweckt durch weltweit bedeutsame Veranstaltungen wie der ESL One Cologne und Erfolge wie die von der deutschen Organisation BIG.
Zudem ist Counter-Strike ein Teil der TV-Landschaft durch ProSieben mit der Sendung ran eSports. Doch wo steht CS:GO derzeit in Deutschland?
Vom “Killerspiel” zum Massenphänomen
Shooter-Spiele haben einen schweren Stand in Deutschland – so auch Counter-Strike und der aktuellste Ableger CS:GO. Das Unverständnis an dem FPS-Titel liegt einerseits an der realistischen Darstellung, in der sich Terroristen und Anti-Terroristen mithilfe von Schusswaffen ausschalten.
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„Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass ältere Generationen wenig bis keine echten Berührungspunkte mit FPS–Titeln wie CS:GO haben“, sagt BIG-CEO Daniel Finkler. „Es fehlt schlichtweg eine objektive und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Esport im Allgemeinen und CS:GO im Besonderen.“
Auf der anderen Seite geriet Counter-Strike nach dem Amoklauf von Erfurt 2002 und Winnenden 2009 mehrfach in deutschlandweite Kritik. Der Shooter wurde mit den Tätern in Verbindung gebracht und stand kurz davor, verboten oder indiziert zu werden.
Negative Berichterstattung über Counter-Strike etablierte sich in den Medien – teilweise mit Fehlern. Objektive Betrachtungen aus einem anderen Blickwinkel hatten Seltenheitswert. „Das hat zur Verbreitung von Vorurteilen geführt, die sich bis heute in den Köpfen der älteren Generationen gehalten haben“, sagt Daniel Finkler.
Das sieht Matthias Remmert ähnlich. Der Moderator der TV-Sendung ran eSports betont: „In Deutschland wird schnell eine Schuld oder ein Grund gesucht, um eine Antwort auf ein schlimmes Ereignis zu haben. Kleine Gruppen und Subkulturen sind dann schnell ein Sündenbock.“
Verständnis zum Esport und CS:GO bessert sich
Über 20 Jahre seit der ersten Version von Counter-Strike hat nun ein Umdenken stattgefunden. Denn die politischen Verantwortungsträger nähern sich dem Massenphänomen Esport an. „Allgemein merkt man, dass die Politik sich für das Thema Esport immer mehr interessiert“, sagt Sprout-Manager Daniel Paulus, der selbst zuletzt Fragen der bayerischen Staatsregierung zum Thema Esport beantwortete.
BIGs CEO Finkler weiß ebenfalls die stärker werdende Unterstützung aus der Politik zu schätzen: „Dorothee Bär ist positiv hervorzuheben, die sich sehr für den Esport einsetzt und auch öffentlich ihre Meinung verteidigt.“ Die deutsche Staatsministerin und Beauftragte für Digitalisierung eröffnete zusammen mit Verkehrsminister Andreas Scheuer die in diesem Jahr ausschließlich digital stattfindende gamescom 2020.
Das Engagement des organisierten Esports wird ebenfalls gelobt, der in Deutschland seit November 2017 existiert: „Für die Etablierung und Akzeptanz von Counter-Strike im Esport haben wir bestimmte Gremien und Interessenvertreter, die sich dafür einsetzen. Das ist an erster Stelle der eSport-Bund Deutschland“, betont Sprout-Manager Paulus.
Der eSport-Bund Deutschland, kurz ESBD, repräsentiert bundesweit den organisierten Esport und seine Sportlerinnen und Sportler in Deutschland. CS:GO wird dementsprechend geschützt. „Dort, wo durch Manipulation und Dramatisierung bestimmte Spiele durch Medien ohne Sachzusammenhang instrumentalisiert werden, stellen wir uns laut und aktiv gegen die Diffamierung“, erklärt ESBD-Präsident Hans Jagnow.
ESBD-Präsident Jagnow: “Wir brauchen viel Geduld”
In Deutschland ist es ein nach wie vor mühsames Unterfangen, in der breiten Masse auf Anklang zu stoßen. „Die Vorbehalte sitzen tief und wir brauchen viel Geduld und ein dickes Fell“, betont Hans Jagnow. Das Wissen über die Größe des Marktes wird zudem unterschätzt. „Es ist einfach noch nicht für jeden greifbar, dass man CS:GO hauptberuflich spielen kann, dabei um die Welt reist und um siebenstellige Preisgelder vor einem Millionenpublikum spielt“, ergänzt Daniel Finkler.
Um die breite masse nicht direkt abzuschrecken, wären leichte Änderungen der Begrifflichkeiten denkbar. Laut Daniel Finkler könnten so konservative Marken einen besseren Zugang zum Spiel finden. Moderne Unternehmen wie Red Bull und Nissan sind bereits Werbepartner. Auch die Brauerei Warsteiner ist seit einem Jahr Sponsor der 99Damage Liga, Deutschlands größter CS-Liga.
Förderung, neue Darstellung in Medien und die Frage zum Breitensport
Fakt ist, dass sich der Esport in Deutschland wandelt und wächst, von Einzelspielern über Teams bis zu ersten Vereinen. „Über 200 Sportvereine in Deutschland haben schon ein Esport-Angebot, zumeist Sportspiele und große Strategietitel“, erklärt Hans Jagnow und fügt hinzu: „Shooter im Allgemeinen und CS:GO im Speziellen haben da leider weiterhin mit Vorbehalten zu kämpfen, sind bisher also die Ausnahmen – aber auch da ändert sich die Dynamik.“
Seit knapp einem Jahrzehnt wachsen die Zuschauerzahlen im Esport auf Plattformen wie Youtube oder dem Streaming-Anbieter Twitch. „Es gibt einen klaren Trend nach oben“, weiß auch Moderator Matthias Remmert und verweist dabei auch auf die Offline-Turniere, die bis Ende 2019 vor den gesellschaftlichen Einschränkungen immer wieder für Begeisterung sorgten: „Eine ESL One Cologne in der Lanxess Arena hätte früher nie funktioniert wie jetzt.“
Es braucht große Präsenz wie in Fortnite
Um im deutschen Mainstream anzukommen, bräuchte CS:GO aber noch einen klaren Schub. „Weil Counter-Strike ein Spiel ab 16 Jahren ist, geht vor 22 Uhr nichts im Free TV. Anders ist es im PayTV dank der Pincode-Funktion für die Altersbeschränkung. Aber die Reichweite ist logischerweise eine andere“, sagt Remmert.
Das Wichtigste an der Akzeptanz eines Spiels sei für ihn immer die große Masse dahinter: „Bei Fortnite hat man gesehen, wie es ein Spiel bis in den Mainstream hineinschafft. Stars aus Sport und Unterhaltung sorgten neben dem hohen Preisgeld der WM für Aufsehen und Hype.“
Der Deutsche Olympische Sportbund würde sich mehr Sport außerhalb von Fußball bei den öffentlich-rechtlichen Sendern wünschen. Und auch wenn der Sport-Dachverband sich Esport derzeit nicht als Mitglied vorstellen kann, wird das Interesse an Videospielen registriert.
„Wir sagen selbst, dass es sich bei Computerspielen um einen anerkannten Teil von Jugendkultur handelt und können deshalb nachvollziehen, wenn Massenmedien über Massenphänomene berichten“, sagt Michael Schirp, Stellvertretender Leiter der DOSB Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Berichterstattungen zu CS:GO in diversen Online-Medien sind gerade zu Events vermehrt zu finden. Das Verständnis und die mittlerweile monetäre Bedeutung für den Esport wächst.
„Jüngere Medienvertreter sind meist selbst in der Freizeit leidenschaftliche Gamer und haben ein fundiertes Wissen aufbauen können“, sagt BIGs CEO Finkler. „Dies spiegelt sich dann auch in den Artikeln wider. So ist es keine Seltenheit, dass große Medien, die in der Vergangenheit Counter-Strike einseitig als gefährliches ‚Killerspiel‘ abgestempelt haben, heute auch über die Counter-Strike-Turniere berichten – und das ist sehr positiv.“
Esport nicht gewaltsam in den Breitensport pressen
Wird der Esport und damit auch CS:GO fester Bestandteil des Breitensports? „Es gibt Vor- und Nachteile beim Breitensport“, so Matthias Remmert. „Den Esport in den Breitensport gewaltsam hineinzupressen, wird nicht klappen. Esport hat seinen eigenen Kosmos und kann sich nicht bei allen Regularien unterordnen. Trotzdem sehe ich eine große Chance für den Breitensport, aus dem Jungen und Dynamischen zu lernen. Zudem sind Fördergelder von Vorteil für die Vereine. Grundsätzlich wäre es gut, dass das vorangetrieben wird. Städterivalitäten könnten so entstehen, die es bislang im Esport nicht gibt.“
Immer mehr registrierte Nutzer sind in CS:GO zu verzeichnen. Das Spiel erreichte vor fünf Monaten sogar einen neuen Rekord. Am 14. März spielten über eine Million Spielerinnen und Spieler gleichzeitig den Taktik-Shooter. Die Zeichen für die Branchen wirken positiv. Doch wird Counter-Strike in Deutschland auch massentauglich und vielleicht sogar anerkannter Sport werden?
Für CS:GO-Experte Matthias Holländer kann sich die Debatte nur dann erledigen, „wenn Esport als Ganzes in den Mainstream wächst und sich das Problem mathematisch löst – es müssen mehr Leute die Nase rümpfen, statt zustimmend zu Nicken, wenn der Begriff ‚Ballerspiel‘ fällt.“
Ob CS:GO und der Esport allgemein als Sport eingestuft werden kann, solle nicht von einzelnen Instanzen abhängig gemacht werden. „Die Definition von Sport ist ein gesellschaftlicher Prozess“, sagt Michael Schirp vom DOSB. Dieser Prozess schreitet voran, besonders in der jüngeren Generation. So werden beispielsweise organisierte Wettkämpfe in CS:GO und League of Legends in den Hochschulen mit der Uniliga veranstaltet, in denen sich die Studenten miteinander messen.
„Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in einigen Jahren nicht mehr über dieses Thema sprechen und stattdessen noch mehr Menschen in den Stadien oder zu Hause Counter-Strike, ob als Spieler oder Zuschauer, verfolgen“, sagt Daniel Finkler.
Das Finale der ESL One Cologne 2020 am 30. August um 18:00 Uhr LIVE auf ProSiebenFUN.
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Bildquelle: ESL
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